«Zuhören und zusammenhalten»
Dr. Markus Dieth wurde als Finanzdirektor mit einem Glanzresultat für weitere vier Jahre in den Regierungsrat gewählt. Im Interview erzählt der aktuelle Landammann über zahlreiche wertvolle Begegnungen mit den Aargauerinnen und Aargauern, über die neue Zusammensetzung im Regierungsgremium, wichtige Projekte der nächsten Legislatur und was für ein Wunsch er an die Bevölkerung hat.
Interview: Katja Bopp Bilder: zVg.
Dr. Markus Dieth, Landammann des Kantons Aargau, vor dem Bundeshaus in Bern. Er ist Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK).
Markus Dieth, wie auch vor vier Jahren sind Sie als Finanzdirektor der am besten gewählte Aargauer Regierungsrat. Gratulation! Worauf führen Sie dieses Resultat zurück? Herzlichen Dank für die Gratulation! Ich fühle mich geehrt, dass mir die Aargauer Bevölkerung erneut ihr Vertrauen ausgesprochen hat. Es ist erfreulich, wenn sich die intensive Arbeit, die man als Regierungsrat ausübt, auf diese Weise widerspiegelt und wertgeschätzt wird. Ich freue mich sehr, dass die Wiederwahl von mir und meinen Amtskollegen sowie die Neuwahl von Martina Bircher bereits im ersten Wahlgang geglückt ist. So können wir uns bereits jetzt auf die neue Legislatur vorbereiten. Das gute Wahlergebnis ist meiner Ansicht nach eine Form der Anerkennung unserer Arbeit. Ich denke, dass die Wählerinnen und Wähler mit diesem Resultat die solide Finanzpolitik der vergangenen Jahre honoriert haben. Wir konnten den Kantonshaushalt nachhaltig stabilisieren, die Schulden abbauen und gleichzeitig wichtige Investitionen tätigen. Das schafft Vertrauen und Zuversicht. Und ich denke, man merkt mir auch an, dass ich mein Amt mit Freude und Engagement ausübe.
Aber ein bisschen «Bündner-Bonus» gehört auch noch dazu? Vielleicht. Offenbar wird meine bodenständige und 'gmögige' Art geschätzt. Aber letztlich zählt für mich, dass ich das Vertrauen der Bevölkerung durch die gute Arbeit, die wir als Regierungskollegium, mein Team in meinem Departement und ich täglich leisten, rechtfertigen kann.
Die Mitte scheint alles richtig gemacht zu haben. Mit 12.9 % Wähleranteil im Grossen Rat gehört sie im Kanton aber nur zur viertgrössten Partei. Ich bin sehr zufrieden mit dem Resultat der Mitte. Die Fraktion hat in den vergangenen vier Jahren sehr gute Arbeit im Grossen Rat geleistet. Und das grosse Engagement der Kandidierenden hat sich ausgezahlt. Schön ist zudem, dass die 18 Sitze im Grossen Rat gehalten werden konnten. Es ist wichtig, dass wir eine stabile Mitte im Parlament haben. Die Mehrheitsverhältnisse im Grossen Rat haben sich verschoben. Und gerade deshalb ist es wichtig, dass wir ausbalancierte Lösungen finden, die von einer breiten Mehrheit getragen werden.
Die stärkste Partei im Kanton, die SVP, hat im Kanton nach 2020 um 3.6 Prozentpunkte zugelegt, warum dieser Rechtsrutsch? Dass es mit Wahlen zu Verschiebungen im Parlament kommt, ist Teil des demokratischen Prozesses. Wahrscheinlich dürften mehrere Faktoren zu diesem Wahlergebnis beigetragen haben. Die Parteistrategen in den politischen Parteien der Grossratsfraktionen werden dieses Wahlergebnis sicher noch analysieren.
Trotzdem bilden die städtischen Gebiete mit Ihnen aus Wettingen, Stephan Attiger (FDP) aus Baden und Dieter Egli (SP) aus Windisch in der Regierung die Mehrheit. Gibt es einen Stadt-Land-Graben, der immer grösser wird? Was mir am Aargau besonders gut gefällt, ist die regionale Vielfalt des Kantons. Wir haben hier urbane Zentren, aber eben auch ländlich geprägte Regionen. Und genau in dieser Vielfalt liegt unsere Stärke. Sie bringt aber auch Herausforderungen mit sich. Wir können durchaus unterschiedliche Präferenzen in den Städten und den ländlichen Gebieten beobachten. Die Arbeit des Regierungsrats muss aber der gesamten Bevölkerung des Kantons Aargau gerecht werden und die Interessen aller Aargauerinnen und Aargauer vertreten, ungeachtet des eigenen Wohnorts. Wir stehen in der Verantwortung, den Zusammenhalt im Kanton zu fördern und zu stärken. Letztlich ist der Aargau dann am stärksten, wenn Stadt und Land zusammenarbeiten und voneinander profitieren: Eine Einheit in der Vielfalt.
Ab 2025 gehört mit Martina Bircher wieder eine Frau zum Kollegium und repräsentiert so 50 Prozent der Bevölkerung – die Frauen. Und das ist gut so. Ich freue mich sehr, dass mit Martina Bircher nun wieder eine Frau im Regierungsrat vertreten ist. Vielfalt bereichert auch ein Regierungsgremium. Ausserdem ist es wichtig, dass sich die Aargauer Bevölkerung auch in seiner Exekutive repräsentiert sieht. Alle Regierungsratsmitglieder, unabhängig von ihrem Geschlecht, vertreten aber die Interessen der gesamten Bevölkerung.
Es gab bereits einigen Wirbel um Martina Bircher, da sie als rechtsbürgerliche Frau das Bildungsdepartement übernehmen wird. Als berufstätige Mutter kann sie hier sicher auch eine Frauensicht einbringen? Das ist ja das Schöne am politischen System der Schweiz: Die Exekutive setzt sich aus mehreren Personen mit je individuellen Erfahrungen, Kompetenzen und Perspektiven zusammen. Wird eine neue Person in den Regierungsrat gewählt, profitiert das Gremium allein durch diesen Zuwachs. Und mit Martina Bircher erhält der Aargauer Regierungsrat eine äusserst erfahrene Politikerin, die zudem Frau und Mutter ist. Sicherlich werden durch ihre Erfahrungen und ihre Lebensumstände weitere Sichtweisen ermöglicht. Ich bin zuversichtlich, dass sich Martina Bircher mit ihrer Erfahrung rasch in die Aufgaben des Bildungsdepartements einarbeiten wird.
Sie sind aktuell immer noch höchster Aargauer und damit Landammann des Kantons, können Sie bereits ein Resumée zum Jahr 2024 ziehen? Die höchste Aargauerin ist die Grossratspräsidentin. Ich durfte nach 2020 bereits zum zweiten Mal Landammann sein – aber das aktuelle Landammannjahr unterscheidet sich doch deutlich von jenem vor vier Jahren, das in der Pandemie stattfand. Für mich persönlich war es ein intensives und sehr schönes Jahr. Als Landammann durfte ich unseren Kanton gegen innen und aussen repräsentieren und hatte zahlreiche wertvolle Begegnungen mit den Aargauerinnen und Aargauern. Diese Aufgabe habe ich mit Freude und Respekt wahrgenommen. Wir konnten in diesem Jahr die solide finanzielle Basis des Kantons weiter festigen, was uns ermöglicht, wichtige Projekte voranzutreiben. Und wir haben wichtige Schritte unternommen, um den Kanton Aargau als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren und die Dienstleistungen für unsere Bürgerinnen und Bürger weiter zu verbessern. In meiner Funktion als Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) darf ich die Interessen der Kantone auf Bundesebene vertreten. Und auch die kantonalen Gesamterneuerungswahlen in meinem Landammann-Jahr zu erleben und wiedergewählt zu werden, erfüllt mich mit Dankbarkeit.
Was gefällt Ihnen besonders an Ihrem Amt?
Das ist einfach: Die vielfältigen Begegnungen mit Menschen.
Wie nehmen Sie die Stimmung in der Bevölkerung wahr?
In diesem Jahr hatte ich das Privileg, mit zahlreichen Aargauerinnen und Aargauer im Rahmen des Landammann-Stammtischs in allen elf Bezirken ins Gespräch zu kommen. Dieses Format ermöglichte nicht nur, dass die Gäste Fragen an mich stellen konnten, sondern auch, dass ich ihre Anliegen anhören konnte. Dabei ist mir aufgefallen, dass sich die Aargauerinnen und Aargauer in ihrem Kanton wohlfühlen, sich aber über nationale wie auch globale Entwicklungen besorgt zeigen. Diese Sorgen gilt es ernst zu nehmen, auch dann, wenn wir als Regierungsrat nicht alle lösen können.
Was sorgt die Bevölkerung mehr? Sind es mehr die rationalen Alltagsprobleme rund um die steigenden Kosten wie Krankenkasse oder Energie oder die emotionalen Ängste wie Krieg und Migration? Es ist beides. Ich habe diese Besorgnis schon gespürt. Wir müssen uns unbedingt darauf konzentrieren, wo wir durch politisches Handeln konstruktive Lösungen finden und Ängste abbauen können.
Sie wurden nun in eine dritte Amtsperiode (2025 – 2028) gewählt. Was stehen für Projekte im Finanzdepartement an? Wir sind als Departement Finanzen und Ressourcen dafür verantwortlich, die Ressourcen des Kantons Aargau sorgfältig zu verwalten, so dass der Kanton seine Aufgaben effizient erfüllen kann. Ein wichtiges Anliegen meines Departements ist es daher, den Finanzhaushalt in Form unseres Aufgaben- und Finanzplans (AFP) weiterhin erfolgreich im Griff zu haben. Der Kantonshaushalt präsentiert sich gesund und robust. Die finanzielle Stärke des Kantons bietet uns Spielraum für Investitionen, z. B. bei den Immobilien, die mein Departement verantwortet. Bis 2027 investieren wir hier in den Bau von neuen Kantonsschulen oder in den Bau des neuen Polizeigebäudes. Beim Kantonalen Steueramt, das in meinem Departement angesiedelt ist, stehen Steuergesetzrevisionen in den Jahren 2025 und 2027 auf dem Programm, um den Wohn- und Wirtschaftsstandort Aargau zu stärken. Zudem wollen wir der Bevölkerung Steuerrabatte gewähren, wenn wir Überschüsse erzielen konnten und die Finanzlage sich gesund zeigt. Schliesslich arbeiten wir auch intensiv daran, die Dienstleistungen des Kantons Aargau weiter zu digitalisieren und zu modernisieren. Der Kontakt zwischen der Verwaltung und der Aargauer Bevölkerung und Unternehmen soll möglichst einfach und unkompliziert sein. Deshalb wollen wir die digitalen Dienstleistungen in den Gemeinden und dem Kanton zusammen weiter ausbauen.
Gemäss der Vision «Steuern Aargau, weil es sich lohnt» verfolgt die Steuerstrategie das Ziel, die Attraktivität des Aargaus als Wohn- und Wirtschaftskanton nachhaltig zu steigern. Welche Massnahmen dazu wurden lanciert? Wir setzen die Steuerstrategie 2022–2030 schrittweise um. Mit der Steuergesetzrevision 2022 haben wir durch eine Senkung der Gewinnsteuer um bis zu 20 Prozent unter anderem unsere gewinnstarken Unternehmen und unsere Wirtschaft gestärkt, wovon letztlich auch die Einwohnerinnen und Einwohner des Kantons profitieren. Mit den Steuergesetzrevisionen 2025 und 2027 planen wir weitere Entlastungen für verschiedene Gruppen. Es sind ausgewogene Vorlagen, von denen Familien, hohe und auch tiefe Einkommen, aber auch Wohneigentümer profitieren. Es sind attraktive Anpassungen bei der Vermögenssteuer, eine Erhöhung des Kinderabzugs sowie der Abzüge für Kinderdrittbetreuung und berufsorientierte Aus- und Weiterbildungskosten vorgesehen. Allein mit der Erhöhung des Kleinverdienerabzugs entlasten wir Einkommen um jährlich 38 Millionen Franken.
Wie stabil ist der Aargauer Finanzhaushalt für die Zukunft gerüstet? Wie abhängig ist man von der Nationalbank? Der Kanton Aargau verfügt heute über eine solide finanzielle Basis und ist gut gerüstet. Seit 2016 konnten wir unsere Schulden in der Höhe von rund 1,3 Milliarden Franken abbauen. Damit ist der Kanton Aargau heute schuldenfrei. Des Weiteren war es uns möglich, eine Ausgleichsreserve von rund 1 Milliarde Franken zu äufnen. Diese Ausgangslage erlaubt es uns, uns den aktuellen und den kommenden Herausforderungen zu stellen und gleichzeitig in unsere Zukunft zu investieren. Unser Ziel ist es, den Kantonshaushalt so robust zu gestalten, dass wir auch ohne den Zustupf der Schweizerischen Nationalbank auskommen. Auch angesichts der Volatilität der SNB-Ergebnisse ist es wichtig, dass wir im Einplanen solcher ausserordentlichen Zuschüsse zurückhaltend sind.
Wir kommt der Aargau betreffend Digitalisierung und Serviceorientierung voran? Der Kanton Aargau macht sehr gute Fortschritte. Besonders hervorzuheben sind sämtliche Bemühungen, die direkt die Bevölkerung und die Unternehmen betreffen. So bietet das Smart Service Portal einen schnellen und unkomplizierten Zugang und ist rund um die Uhr verfügbar. Viele der Dienstleistungen können bequem von zuhause aus wahrgenommen werden. Um diese Fortschritte zu erreichen, arbeiten der Kanton und die Gemeinden eng zusammen. Mit der kürzlich unterzeichneten Absichtserklärung zur Projektinitialisierung der «Digitalen Verwaltung Aargau», die von Seiten des Kantons wie auch von Seiten aller 11 Gemeindefachverbänden unterzeichnet wurde, bekräftigen der Kanton und die Gemeinden den Willen zur intensivierten Zusammenarbeit. Ausserdem haben wir per Anfang 2025 eine neue Fachstelle mit der Bezeichnung «Digitale Transformation» geschaffen, die sich auf neue Technologien wie die Künstliche Intelligenz konzentrieren, bestehende Synergien nutzen und neue schaffen wird. Für uns ist die Digitalisierung keine einmalige Angelegenheit, sondern ein Prozess des andauernden Fortschritts.
Sie sind zudem auch Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen, welche den Finanzausgleich unter den Kantonen bestimmt. Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Kantonen, wie steht es um den Föderalismus? Der Föderalismus hat nie nur leichtes Spiel. Es gibt immer Bestrebungen, Aufgaben zu zentralisieren. Umso wichtiger ist der Finanzausgleich zwischen den Kantonen. Er sorgt für einen Ausgleich der unterschiedlichen Bedingungen der Kantone, schafft also eine Art Chancengleichheit, ohne den föderalistischen Wettbewerb zwischen den Kantonen zu unterbinden. Wichtig ist, dass wir das fragile Gleichgewicht in diesem System beibehalten und das System stärken können. Dazu braucht es eine klare Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantone und einen Finanzausgleich, der die Interessen der Geber- und der Nehmerkantone und auch des Bundes berücksichtigt. So können alle Kantone weiterhin eigenständig entsprechend den Interessen ihrer Bevölkerung und auch der jeweiligen kantonalen Voraussetzungen handeln und der Föderalismus wird gestärkt.
Sie sind nun für 4 weitere Jahre als Aargauer Regierungsrat gewählt. Was sind Ihre Wünsche an die Bevölkerung? Ich bin der festen Überzeugung, dass wir als Gesellschaft nur dann erfolgreich sein können, wenn wir zusammenarbeiten, in Dialog treten, einander zuhören und zusammenhalten. Darum auch mein politisches Motto: «Zäme für euse Kanton! – Zäme stark!» Und genau das wünsche ich mir, dass wir weiterhin zusammen an einem Strang ziehen.
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