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Circus Monti

Der Jongleur Mario Muntwyler ist einer der Stars im Circus Monti. Der 27-jährige Aargauer spricht über seine Kindheit auf dem Zirkusgelände, den grossen Druck in der Manege und er erklärt, weshalb die Auftritte in Wettingen etwas Besonderes sind.


Mario Muntwyler trat als 6-Jähriger erstmals in der Manege auf.


Ursprünglich wollten Sie Fussballprofi werden, richtig? Mario Muntwyler: (schmunzelt). Diesen Kindertraum haben wahrscheinlich viele. Ich war beim FC Wohlen, doch wenn die Saison anfing, waren wir jeweils mit dem Circus Monti unterwegs. Es machte keinen Sinn, dies miteinander zu kombinieren. Ich verfolge den Fussball aber weiterhin sehr, einmal wöchentlich trainiere ich mit einem Plauschteam in Aarau.


Welche Erinnerungen haben Sie sonst noch an Ihre Kindheit? Es war ein grosses Glück. Ich kann jedem Kind nur empfehlen, in einem Zirkus aufzuwachsen, denn ein Zirkusgelände ist ein riesiger Spielplatz. Früher hatten wir noch Tiere dabei, wir konnten im Stall helfen. Oder wir machten in der Manege mit – das war das Grösste. Ich lernte Leute und Sprachen kennen. Durch den häufigen Kontakt mit Erwachsenen sind wir relativ schnell gereift.


Gab es auch Nachteile? Den Zugang zu den Leuten in Wohlen aufrecht zu erhalten, war während den acht Monaten auf Tournee eine Herausforderung. Das ist heute noch so, auch wenn wir nur vier Monate unterwegs sind.


Wo gingen Sie und Ihre beiden Brüder zur Schule? Während der Saison in die Zirkusschule in einem Wohnwagen auf dem Zirkusplatz. Es reisten immer auch Familien mit Kindern mit, damit wir nicht die einzigen Schüler waren. Wir hatten dabei die gleichen Prüfungen wie die Kolleginnen und Kollegen in Wohlen, wo wir jeweils im Winter die Schule besuchten.


Was macht für Sie die Faszination einer Zirkus-Saison aus? Das Sägemehl, das mittlerweile verschwunden ist. Der Geruch von Popcorn. Speziell ist, dass wir immer draussen sind, den Wohnwagen brauchen wir eigentlich nur zum Schlafen. Wir sind eine Gruppe aus rund 60 Personen, die zusammen lebt, wohnt, arbeitet und weiterzieht. Meistens befinden wir uns auf Plätzen mitten in der Stadt mit viel Verkehr drumherum, weshalb auch die Geräusche von Tram, Zügen und Autos dazugehören.


Welche Bedeutung hat für Sie die Jonglage? Sie ist ein wenig zur Nebensache geworden, weil ich immer mehr in die Administration hineinrutsche. Die Abwechslung aus Büro und Manege geniesse ich sehr, doch die zeitlichen Ressourcen, um sich auf einem gewissen Niveau zu halten, sinken. Ich spüre, dass ich im Training nicht mehr die gleiche Geduld und die gleichen Nerven habe wie als Kind. Solange ich aber dahinterstehen und jedes Jahr etwas Neues auf die Beine stellen kann, werde ich auf der Bühne weitermachen.


Wie wurden Sie Zirkus-Jongleur? Der Hauptgrund ist die Inspiration durch meinen Vater Johannes, wegen ihm habe ich als Dreijähriger erstmals versucht, mit Bällen zu jonglieren, er war mein Vorbild. Die Jonglage wurde allerdings erst später zu meiner Hauptdisziplin. Die ersten Erfahrungen machte ich mit dem Diabolo, mit Voltigieren auf dem Pony meines Onkels oder einer Akrobatiknummer mit meinem Vater.


Dabei standen Sie bereits als Sechsjähriger erstmals im Einsatz. Aus purem Zufall, ja. Ich schaute bei den Proben zu und der Regisseur hatte die Idee, dass ich bei einer Nummer meines Vaters und meines älteren Bruders Tobias die Diabolos zuwerfen könnte. Es war der Start in meine Bühnenkarriere. Als 10-Jähriger hatte ich mit meinem Vater den ersten Auftritt als Jongleur.


Wie haben Sie dies als Kind erlebt? Es war wie ein Spiel, ich machte mir nicht viele Gedanken, verspürte keinen Druck. Damals hatten wir teilweise über 800 Zuschauer im Zelt, die Vorstellungen waren voll, doch das hat mich nie gestresst. Das kam erst später mit dem Älterwerden. Wenn der Kinderbonus weg ist, steigt die Erwartungshaltung.


Einmal wollten Sie bei einer Show nicht mitmachen. (lacht). Ich hatte keine Lust, als Assistent bei der Diabolo-Nummer aufzutreten. Im Finale wollte ich wieder dabei sein, doch mein Vater sagte: «Du bleibst draussen, entweder machst du ganz mit oder gar nicht.» Das hat mich nachhaltig belehrt. Nicht mitmachen wollen, das kam nie wieder vor.

Wie lernten Sie jonglieren? Ich lernte viel von meinem Vater und sah vieles auf Youtube. Am meisten brachte mir aber die Inspiration durch andere Artisten, die bei uns auf Saison waren, auch aus anderen Bereichen. Ich begann früh, mit Jongleuren zusammenzuarbeiten, mit unterschiedlichen Objekten zu jonglieren und Dinge alleine auszuprobieren.


Lenkt Sie der Applaus nicht ab? Nein, daran gewöhnt man sich, der Fokus ist Übungssache. Ich bin wie in einem Film drin, das empfinde ich nicht als schwierig. Es braucht relativ viel, um mich abzulenken.


Gab es heikle Momente? Auf einem Platz neben dem Kasernenareal in Zürich fand eine Demonstration statt. Während meines Auftritts hörte ich, was über das Megafon ausgerufen wurde. Trotzdem musste ich mein Ding machen und durfte nicht aus dem Konzept geraten.


Ihr Vater zog sich als Jongleur aus der Manege zurück, weil der Druck immer grösser wurde. Das ist ein Phänomen des Alters, es wird einem immer bewusster, dass man in jeder Show seine beste Leistung bringen muss. Wenn mein ganzer Körper durchdrehen würde, hätte ich schon lange aufgehört. Bei meinem Vater war dies effektiv so. Das Problem ist nicht der Auftritt, sondern die fünf Minuten, bevor es losgeht. Damit kämpfen viele Artisten. Doch wenn der erste Trick funktioniert, ist es kein Problem mehr.


Was war Ihr grösster Moment, welcher einer zum Vergessen? Meine grössten Momente hatte ich mit der Amerikanerin Delaney Bayles im Jahr 2022, sie zählt zu den besten Jongleurinnen der Welt. Dieses Level werde ich vermutlich nie mehr erreichen, diese Nummer war extrem cool. Lowlights sind Auftritte, in denen ich extrem unzufrieden von der Bühne gehe. Wenn ein Trick komplett in die Hosen geht, nerve ich mich wie ein Stürmer, der das leere Tore verfehlt.


Wie gehen Sie mit Fehlern um? Es gibt Tricks, in denen ich bewusst das Risiko eines Fehlers eingehe. Und es gibt solche, in denen nichts passieren darf, dann nervt ein Fehler extrem. Wichtig ist, dass man die Enttäuschung im Griff hat. Fehler machen alle, steht man dazu, kommen sie sympathisch rüber. Die Leute lassen sich mit Techniken begeistern, die nicht wahnsinnig schwierig sind, doch sie schätzen es, wenn man Risiken eingeht. Die Jonglage entwickelt sich zu stark in Richtung Sicherheit. So sinkt das Niveau.


Wann wird es richtig schwierig? Wenn ich während des Jonglierens Pirouetten einbaue, müssen die Keulen genau fliegen, damit es funktioniert. Tricks mit sieben Keulen oder Balancetricks per se zählen auch dazu. Ich mache nicht nur Sachen, die ich zu 100 Prozent kann, ich habe auch 50:50-Tricks in meinen Nummern, das ist das Coole daran. Es gibt Jongleure, die machen im Training krasse Dinge, doch gemessen wird man nur daran, was in der Manege gelingt, wenn die Hände nicht mehr ganz so ruhig sind.


Gibt es ein oberstes Ziel, welches Sie als Jongleur erreichen wollen? Irgendwann möchte ich ins Guinness-Buch der Rekorde kommen. Ich mache viele Balance-Tricks, das tun nicht viele auf der Welt. Ich habe sie mitentwickelt, darauf bin ich stolz.


Wie entwickelt sich die Popularität des Zirkus? Seit Corona erleben wir einen erfreulichen Aufschwung, das Live-Erlebnis wird aktiv gesucht, die Menschen wollen weniger vor dem Bildschirm sitzen. Der Alltag wird immer digitaler, zum Ausgleich entsteht ein Wunsch nach analoger Unterhaltung, das sehen wir als Chance. Deshalb werden wir am Konzept wenig ändern, dafür die Qualität weiter steigern.


Spüren Sie Konkurrenz? Nein, wir betrachten unsere Mitbewerber nicht als Konkurrenz. Die Branche ist sehr klein geworden. Anstatt uns zu bekämpfen, helfen wir uns gegenseitig, um ein gutes Bild abzugeben. Egal ob Knie, Harlekin oder Monti – im besten Fall ergänzen wir uns und wecken die Lust auf Zirkus.


Was macht den Circus Monti aus? Der persönliche Kontakt zum Zuschauer. Wir begrüssen und verabschieden jeden Gast persönlich. Wir sind eine Familie auf Saison, das prägt das Auftreten des gesamten Zirkus. Zudem wollen wir in Europa der gepflegteste Zirkus sein. Die Show ist derweil eine Mischung aus Zirkus und Theater, wobei hochstehende, artistische Nummern als traditionelle Disziplin das Gerüst bilden.


Früher trat der Circus Monti während acht Monaten an 50 Orten auf, heute sind es in vier Monaten noch 10. Weshalb? Weil wir mehr in aufwändigere Produktionen investieren wollen. Weil wir die Zeltvermietung als zusätzliches Standbein aufgebaut haben. Und damit wir auch mal Ferien machen können. Das heisst aber nicht, dass sich die Zuschauerzahlen halbiert haben, die Auslastung des Zelts beläuft sich auf rund 75 Prozent. Die Tournee ist noch immer unser wichtigstes Standbein.


Weshalb blieb der Standort Wettingen im Programm? Wegen der spannenden Vorgeschichte, während langer Zeit feierten wir dort unseren Saisonschluss. Wir schätzen das Wettinger Publikum sehr und die Zirkuswiese ist ideal, dort können wir die ganze Infrastruktur aufbauen. Zudem möchten wir in unserem Heimatkanton möglichst alle Gebiete abdecken, von Wettingen über Wohlen bis Windisch und Brugg.



Circus Monti feiert 40. Geburtstag

Der 27-jährige Jongleur Mario Muntwyler, der mit seiner Partnerin in Baden wohnt, ist aktuell der einzige Muntwyler, der in der Manege auftritt. Beim Circus Monti tätig sind auch seine Brüder Tobias (Zeltvermietung) und Nicola (Werkstatt). Vater Johannes amtet als Circus-Direktor, dessen Partnerin Armelle kümmert sich um das Casting der Circustournée und von Monti’s Variété. Gegründet wurde der Circus Monti 1984 von den Grosseltern Guido und Hildegard, womit das Familienunternehmen aus Wohlen heuer das 40-Jahr-Jubiläum feiert.


Die Saison dauert von August bis Dezember, insgesamt tritt der Circus Monti an zehn verschiedenen Orten auf, darunter die Zirkuswiese in Wettingen (11. bis 15. September). Daneben haben sich die Zeltvermietung, das Variété und die Kulturtage zu wichtigen Geschäftszweigen entwickelt. Weitere Infos unter www.circus-monti.ch


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