Die Scharfen Zungen bei den Wetti-Gern-Gangstern
- Handballworld AG

- 7. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Kleinstädte erwecken oft augenzwinkernd den Anschein, Grossstädte zu sein. Einst spielte das Festmotto der Badenfahrt darauf an: «Welt statt Baden». Es gibt nicht nur «Möchti-Gern-Metropolen», sondern auch «Wetti-Gern-Ghettos». Wettingen, lange Aargaus grösste Gemeinde, ist böser und gemeiner als andere Agglo-Dörfer, glaubt man der ortsansässigen Jugend.
Badenfahrt gab es keine diesen Sommer, der nun dem Herbst Platz macht. Doch das Wettiger Fäscht fand statt. Stadt und Land fanden sich ein. Auch die Scharfen Zungen Patti und Corinne wollten den Mund voll nehmen. Anstehen stand an, denn Essstände lockten mit einer kulinarischen Diversität, welche das Publikum spiegelte. Bei Secondas, Zugezogenen, Ex-Pats, Immigrierten und Alteingesessenen schwanden mit zunehmender Uhrzeit Ab- und Anstand. Am Wurststand gab es gar einen kleinen Aufstand, den Corinne und Patti mit wenig Abstand unterschiedlich erlebten. Patti war spontan zum Wurstverkauf hinter den Tresen einberufen worden, nutzte ihr Mundwerk als Cervelat-Promi, mischte sich unters Volk, posierte, signierte.
Corinne indes sinnierte im angeregten Gespräch mit einem Junglehrer, der auf seine Wurst wartete. Es ging um die Problematik, ernst genommen zu werden, trotz Jugend, lackierter Nägel und selbst genähtem Rock. Sie erklärte ihm, ältere Männer seien am Drücker, gehe es um die ganz grosse Wurst. Diese Machthaber trügen denn auch eher Hosen, Hemden und Falten im Gesicht statt im Rock. Gelackt sei deren Auftreten, statt der Finger. Es stelle sich die Frage, ob es der Schule ergehe wie der Weltpolitik. Übernehmen des Fachkräftemangels wegen bald die Assistenz-Senioren die Führung?

«Scharfe Zungen»: Patti Basler ist Autorin, Kabarettistin, Satirikerin und lebt bei Baden. Corinne Sutter, multidisziplinäre Künstlerin aller Art, Speedpainterin und Schnelldenkerin, wohnt als Ost-Schweizer-Expat in Aarwangen und ist beruflich oft in Baden.
Mit Blick auf Patti fügte sie an, Gammelfleisch komme im Polit-Arbeitsmarkt nochmals in Umlauf, so wie Schlachtabfälle in der faltenlosen Wurstpelle. Ein altes Ami-Würstchen zum Beispiel, das nur noch zu liegen vermag, kann kaum den Blick über den Tellerrand erheben. Das Verbieten vom satirischen Senf, den scharfe Zungen dazu geben, verschafft auch keine Sehschärfe für gesellschaftliche Misstände. Ein Dorffest zeige das Globale im Lokalen. Sind Männer mit Macht schlechter oder Schlächter? Kommen zu viele und die Falschen? Zu viel Sucuck und Döner? Und was war Patti widerfahren, die plötzlich ganz aufgelöst neben Corinne und sich
selbst stand?
Sie hatte während des Wurstverkaufs die Handtasche unbeaufsichtigt gelassen. Bad Idea – gerade an söttigen Wettiger Events. Den diebischen Teenie erspähte sie in einer Multi-Kulti-Gang. Unartikuliert, als sei sein Cevapcici mit K.O.-Tropfen geimpft worden, lallte er. «Mamas Tasche», Pattis Tasche in der Hand haltend und im Zeitlupentempo über die eigenen Füsse stolpernd. «Ey, hat euer Freund eine Alkoholvergiftung? Wollt ihr nicht helfen?» fragte Patti. Und mit einem tiefen Blick in seine überraschend klaren Augen: «Ich kenn dich doch von einem Poetry-Workshop an der Bezirksschule?» Er gab weiterhin den Benebelten, die Tasche gehöre seiner Mutter. «Deine schauspielerische Leistung überzeugt nicht, ich habe dich wohl schlecht gecoacht. Der nächste Kurs kostet, du Würstchen!» Schliesslich bekannte er nüchtern, er versuche sich zum ersten Mal in der Diebes-Kunst und heisse Jan Metzger. «Es ist Wurst, wie du heisst, integriere dich! Taschendiebstahl ist kulturelle Aneignung! Kulturbeute! Selbst ohne Kulturbeutel, falls du diesen Begriff überhaupt kennst! Soll ich die Polizei rufen?» Er schien unbeeindruckt. «Du wolltest es nicht anders, so bleibt mir nur noch das letzte Mittel, die fünfte Gewalt. Wir rufen sie jetzt an», drohte sie raunend, «deine Mutter.» - «Dini Muetter!», erklang es panisch, denn diese Instanz ist international gefürchtet, «lass Abgang machen!» Die Gang flüchtete wie Lämmer vor der Schlachtbank, Bad Boys im Bad der Menge.
Die Scharfen Zungen kamen zum Schluss: Ob Politik oder Wetti-Gern-Gangster, wer Schweinereinen macht, soll antraben – oder abtreten. Und geht es um die Wurst, um Weltpolitik oder Anstands-Fragen, sind Mütter erste Wahl. Wählt, statt Baden!
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