Dumm gelaufen
Mich bringt selten etwas zum Lachen, weshalb man mich nicht gerne in der ersten Reihe einer Comedy-Show sitzen sieht. Das einzige, was mich laut herauslachen lässt, ist unfreiwilliger Slapstick. Leute, welche in Pfosten laufen, ausrutschen, Pleiten, Pech und Pannen. Manchmal pfeife ich sogar einem rennenden Kind hinterher, damit es den Kopf dreht und weiter geradeaus in die nächste Wand rennt. Im Grunde ist es die archaische Schadenfreude, welche wohl bereits die ersten Menschen empfanden, wenn jemand über die Keule direkt in die Feuerstelle stolperte.
Stolperfallen gibt es ja zur Genüge und oft male ich mir aus, wie und wo der nächste Unfall passieren könnte. Dann durchfährt mich jeweils ein Schauer, genährt einerseits aus Furcht vor dem möglichen Unglück und andererseits aus wohliger Freude, dass es mir nicht passiert ist. Doch nun ist geschehen, was zu befürchten war: Es traf für einmal mich selber.
Dazu muss ich erst auf eine Besonderheit unserer Stadt hinweisen. Baden ist beschränkt. Fluss und Hügelzüge bedrängen den Stadtkern von allen Seiten. Wie eine grosse Barriere legt sich der Stein, der Schlossberg mit der Burgruine, über das Flusstal und trennt den Verkehrsknotenpunkt Schulhausplatz vom Bahnhof. Dieser Burghügel ist der Gotthard des Limmattals, die Alpentranversale des Mittellandes. Durchlöchert wie ein Emmentaler Käse von Eisenbahn, Hauptstrasse und einer Tiefgarage. Ein gewöhnliches Parkhaus, könnte man denken, nahe beim Bahnhof und bei den Einkaufsmöglichkeiten. Doch die Tunnel-Garage ist ein Phänomen: Wie die Eingeweide eines grossen Körpers durchzieht dieser Schlauch vom Parkhaus die Stadtmitte. Da gibt es geheime Gänge, Kammern und halbverstecke Ein- und Austrittspforten. Das Parkhaus ist für Velofahrerinnen oder Fussgänger die schnellste Möglichkeit, um vom Bahnhof zum Schulhausplatz zu gelangen. Selbst E-Roller flitzen vorbei an Pollern, Barrieren und Mietparkplätzen, die nur mit spezieller Einfahrtskarte zu erreichen sind. Ich bin stolze Besitzerin einer solchen, da sich mein Studio in der Nähe befindet. Normalerweise fahre ich mit dem Velo zum Studio oder gehe zu Fuss. Es gibt keinen separaten Eingang für den Langsamverkehr. Fahrräder und Passantinnen drängen sich neben der Autospur an der Barriere vorbei, welche an Wochenenden ohnehin oben bleibt. Ich musste also durch besagtes Parkhaus zu meinem Studio, war kurz die Parkkarte holen gegangen, um meinem Techniker die Einfahrt zu ermöglichen und marschierte nun direkt hinter dem Wagen, statt wie für zu Fuss gehende vorgesehen, ganz links an der Wand. Den Blick auf das vor mir fahrende Auto gerichtet, traf mich plötzlich der Schlag. Denn dass die Schranke hinter dem Auto wieder runter kommt, hatte ich vergessen. Folgende Erkenntnisse ereilten mich im Nachgang und im Austausch mit der spöttisch kommentierenden Meute auf Social Media:
Dumm gelaufen
Ich hätte lieber ein Brett vor dem Kopf, als eins auf der Nase
Manchmal wird man in die Schranken gewiesen
Falls die Ärztin nachfragt: Ein klarer Fall von parkhäuslicher Gewalt!
Nicht alles Gute kommt von oben
Wenn die Latte zu tief liegt, ist es kein gutes Zeichen. Das Problem beginnt schon damit, dass die Latte liegt.
Manchmal helfen auch Frauenparkplätze nicht dagegen, dass man im Parkhaus k.o. geschlagen wird.
Endlich ergibt es Sinn, dass man solche Barrieren «Schlagbaum» nennt!
«Latte in die Schnauze zum Frühstück» hat nun mindestens drei Bedeutungen
Parkhäuser barrierefrei! Jetzt!
Keine Schadenfreude mehr. Das Karma schlägt zurück.
Lustig war es natürlich trotzdem. Zumindest nachdem ich wieder bei Sinnen war. Manche bedauern, dass das Malheur nicht als Film angeschaut werden kann. Natürlich habe ich mich nach dem Überwachungsvideo erkundigt. Man teilte mir mit, dass das Video nicht mehr existiere. Die Speicher-Dauer der Videos bei der Stadt Baden sei auf 72 Stunden … beschränkt.
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