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Generation Baywatch

Wir wissen ja, wie süchtig es macht. Wie hypnotisiert man sein kann von einem Bildschirm. Wie sehr wir davor vereinsamen. Und dennoch können wir uns wohl erst dann von diesem Bildschirm lösen, wenn wir den Schirm endgültig zuklappen …



Das wissen wir. Und das war früher nicht anders als heute. Nur, dass es heute eben viel mehr Bildschirme gibt. Heute trägt jeder schon ab Kindesalter mindestens einen Bildschirm bei sich. In der Hosentasche oder am Handgelenk. Ja, heute ist Generation Iwatch. Aber ich bin noch Generation Baywatch. Ich habe damals nicht in der Schule lesen gelernt, sondern im Fernsehprogramm-Heft «Tele». Da habe ich jede Woche mit dem Stabilo-Boss gehighlighted, was ich sehen wollte. Und ich muss sagen, es gab nur Highlights. Für mich waren die 80er und die 90er Wunderbare Jahre. Wir wohnten damals an der Lindenstrasse, neben dem Malrose Place, in Berverly Hills 9210. Da, im Southpark, neben dem Marienhof, hatten wir Unsere kleine Farm. Meine Mutter Roseanne, mein Vater Al, oder wie ich ihn nannte, Der Alte, meine Schwester Stefanie, der Trotzkopf, und ich, das Nesthäkchen. Alle unter einem Dach.


Die Nachbarn fanden uns wohl eine schrecklich nette Familie, denn bei uns war immer Fullhouse. Alle kamen sie zu Besuch, die Wicherts von nebenan, die Waltons, die Simpsons, die Fraggles, die Sopranos und auch immer diese Drombuschs mit ihrem ganzen Denver-Clan aus Dallas. Bei uns waren alle willkommen. Wir machten keine Unterschiede, ob Reich und Schön oder Dick und Doof, wir sagten immer «komm, setzt dich», Sit—com, denn alle hatten Geschichten auf Lager, jeder hatte Sein-Feld, in dem er oder sie glänzte.


Unser Lehrer Dr. Specht beispielsweise, hatte nebenher noch ein Heim für Tiere, für


Dornenvögel hauptsächlich. Und wir waren alle ganz Buffy als Ally Mc Beal meinte, Mord ist ihr Hobby.


Damals stopften wir uns nicht mit McDonalds voll, sondern mit McGyver. Und alle gehörten ins A-Team. Wir lernten Ballett von Anna, Geige von Oliver Maas, Kung Fu von Master Cain, und natürlich wussten wir, dass Columbo Amerika entdeckt hatte. Natürlich gab es auch damals Gute Zeiten, Schlechte Zeiten und dieselben Probleme wie heute. Lohn-Ungerechtigkeit beispielsweise wurde heftig diskutiert. Warum gab es einen 6-Millionen Dollar Mann, aber eine 7-Millionen Dollar Frau? Auch wir machten uns schon Sorgen, dass der Stromberg kleiner und kleiner wird, und von jedem legte die zwielichtige Foundation eine eigene Akte X an! Die wussten alles von mir, Benutzername: Pumukel, Passwort: Soko5113…


Die Welt damals war also kein Bischen besser. Sie war vielleicht übersichtlicher. Wir hatten noch nicht unzählige Möglichkeiten, sondern immer nur 1, 2 oder 3. Das ganze Gesundheitswesen zum Beispiel war viel klarer strukturiert. Bei Krankheit kam man ins General Hospital, bei Notfällen in den Emergency Room und zur Reha dann in die Schwarzwald-Klinik. Mehr gab es nicht.


Vielleicht waren wir ein wenig bescheidener. Jeder von uns hatte nur ein Traumschiff. Und niemand hatte irgendwelche Gadgets - nur Inspector Gadget hatte Gadgets. Ich brauchte auch nicht tausende Friends, ich wollten immer nur fünf Freunde. Die Welt damals war Hart, aber herzlich. Und das ist sie heute auch noch. Lasst uns guten Mutes in die Zukunft blicken, also fernsehen. Und vergessen wir nicht: Es dreht sich nicht alles nur um den Einzelnen, es ist immer mindestens ein Fall für Zwei.

 
 
 

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