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«Ich will zum Eminem der Übergänge werden»

Michel Gammenthaler ist mit seinem siebten Solo-Programm «Blöff» auf Tournee. Der 49-jährige

Zauberer und Komiker spricht über die Zwangspause und besondere Momente auf der Bühne.


Die Sommerpause ist beendet, Sie treten wieder vor Publikum auf. Wie fühlt sich das an?

Vor kurzem hatte ich eine Show, die sich fast wie früher anfühlte. Generell aber ist jeder Auftritt wie ein Neuanfang. Darf ich auftreten? Unter welchen Bedingungen? Werden die Leute kommen? Ich bin nicht der Einzige in der Kulturbranche, der sich diese Fragen stellt. Tourneen, die unter normalen Umständen ausverkauft wären, sind nur zu 30 bis 50 Prozent ausgelastet. Das ist natürlich viel zu wenig. Bis Normalität einkehrt, wird es noch länger dauern. Die schwierigen Momente werden für die Kultur erst noch kommen.


Weshalb?

Weil Kleinkünstler und Komödianten die Präsentation ihrer neuen Stücke weit im Voraus planen, doch das ist derzeit nicht möglich. Viele Veranstalter buchen aufgrund der Ungewissheit wegen der Corona-

situation vorerst keine Gastspiele auf weite Sicht. Die Entschädigungszahlungen des Bundes werden wohl irgendwann wegfallen. Und auch Engagements von Künstlern an Firmenevents haben wahnsinnig stark abgenommen.


Machen Sie sich Gedanken über einen beruflichen Plan B?

Schon seit einigen Jahren betätige ich mich auch hinter der Bühne, schreibe Stücke und Nummern für andere Künstlerinnen und Künstler und berate sie in den Bereichen Comedy, Zauberei und Bühnenpräsenz. Ich spiele auch mit dem Gedanken, ein Buch zu schreiben, habe auch schon eine konkrete Idee. Von der Bühne werde ich aber nicht verschwinden, dafür liebe ich die Liveauftritte zu sehr.


Wie gehen Sie mit Nervosität um? Sie zitierten einst den britischen Zauberer Paul Daniels: «Die Leute zahlen, damit sie mich auf der Bühne sehen, sie freuen sich darauf, also wäre es absurd, nervös zu sein.»

Ja, das sagte ich. Doch so gerne ich es hätte, es stimmt nicht. Mein Job ist mir zu wichtig, ich war und bin vor Auftritten immer nervös. Vielleicht wollte ich das früher einfach nicht sehen.


Also erlaubten Sie sich einen kleinen Blöff. Womit wir bei Ihrem siebten Soloprogramm wären. Was erwartet die Zuschauer?

Geblöfft wird nicht nur am Pokertisch. Sie kennen sicher den Spruch: «Jeder kann sein Leben genau so gestalten, wie er will.» Oder: «Den Erfolg muss man nur wollen, dann stellt er sich auch ein.» Das ist geblöfft, wir machen uns etwas vor. Was wird verkauft, wie wird manipuliert? In meinem Programm beleuchte in den Blöff aus verschiedenen Perspektiven.


Auf der Bühne sind Sie ja selbst ein verblüffender Schwindler.

(schmunzelt). Definitiv. Ursprünglich war ich ja Zauberer und der Zauber ist eng mit dem Blöff verhaftet. Ich habe aber früh die Comedy in meine Auftritte reingenommen, sonst wäre meine Solokarriere nie so rausgekommen.


Bilden Sie mit «Blöff» auch die Gegenwart ab, in der viele Menschen glauben, alles über Corona zu wissen und keine anderen Meinungen zuzulassen?

«Blöff» habe ich schon vorher geschrieben, ich bin nicht jemand, der sich auf tagesaktuelle oder politische Themen fokussiert. Die Coronasituation wirkt aber wie eine Lupe auf der Gesellschaft. Sie zeigt, wie die Menschen sind, wie sie ticken, wie sie mit anderen umgehen.


Wenn Sie einen Gegenstand in den Händen halten, überlegen Sie sich dann, was Sie damit zaubern könnten?

Das kommt vor, ja. In meinem neuen Programm schaffe ich es aber besser als je zuvor, gegenstandslos, also praktisch ohne Requisiten zu zaubern. Die Ideen finde ich im Alltag. Wenn man Augen und Ohren offenhält, erlebt man sehr komische und witzige Situationen. Es bieten sich Berge an Inputs, welche ich zu Comedy verarbeite. Das mache ich sehr gerne.


Wie stark mischen Sie spontane Einlagen in ein geplantes Programm?

In einer geschlossenen Gesellschaft, etwa bei einem Abendessen, wo ich während 30 Minuten für Unterhaltung sorge, ist es meine Aufgabe, das Publikum zu erspüren. Dann kann es während eines Auftritts x-mal zu einer spontanen Umstellung kommen. Optimal ist, wenn das Publikum nicht merkt, wo eine Nummer aufhört und wo die nächste beginnt. Ich mache wahnsinnig gerne solche smoothen Übergänge. Über den Rapper Eminem sagt man ja, dass er jedes Wort auf jedes Wort reimen kann. So gesehen, möchte ich zum Eminem der Übergänge werden, der von jedem Thema zu jedem anderen Thema überleiten kann. Bei einem abendfüllenden Programm bleibe ich derweil beim Plan, wobei eine gewisse Eigendynamik reinkommt, wenn ich Leute auf die Bühne hole.


Wie gehen Sie bei der Auswahl vor?

Ich versuche, sehr wach zu sein, mir Reaktionen, Bemerkungen oder kleine Dialoge mit Zuschauern zu merken und sie während meines Auftritts zu verarbeiten. Dann kann es sein, dass ich eine Person 45 Minuten, nachdem sie mir aufgefallen ist, als Mitspieler auswähle.


Das ganze Interview lesen Sie unter www.landxstadt.ch/aktuelle-ausgabe

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