Von Ennetbaden in die Snowboardwelt
Die 21-jährige Olympionikin Berenice Wicki aus Ennetbaden ist drauf und dran die Halfpipes der Welt zu erobern. Von Ennetbaden aus eine Sportkarriere im Schnee zu lancieren erscheint auf den ersten Blick eher unwahrscheinlich. Doch genau dies hat Berenice Wicki auf dem Snowboard gewagt – und geschafft.
Text: Alexander Wagner Bilder: zVg.
Berenice Wicki mit einem spektakulären Sprung in der Halfpipe.
Der Vater von Berenice Wicki, Jodok Wicki, war bei zwei Olympischen Spielen dabei: 1988 in Seoul und 1992 in Barcelona – jedoch als Segler. Und auch die Mutter Andrea war in Korea dabei. Als begeisterte Reiterin war sie als Pferdepflegerin im Einsatz. Doch in ein Segelboot hat es Berenice nie gross gezogen. Dafür ist sie heute noch ein Pferdenarr und ist fast jeden Tag im Stall – wenn sie denn nicht gerade in den Bergen im Schnee ist.
Mit fünf Jahren zum ersten Mal auf dem Board
Bereits als Knirps stand sie zum ersten Mal auf dem Snowboard. Denn ihre zwei älteren Brüder waren bereits begeisterte «Snöber». «Und ich wollte ihnen wohl nacheifern», meint sie heute rückblickend mit einem Lächeln. Dass es die Familie aus Ennetbaden überhaupt regelmässig in die Berge zog, hat einen einfachen Grund: Bereits der Grossvater hatte eine Ferienwohnung in Davos und so verbrachten die Wickis viel Zeit in den Bergen. Schnell war für sie klar, dass sie es weder im Karate – welches sie länger als Kind betrieb – noch in einem Segelboot oder auf dem Rücken der Pferde durchstarten will: Sondern auf dem Board. Die sechs Jahre Primarschule absolvierte sie noch in Ennetbaden. Bereits mit 12 ging sie ans Sportgymnasium in Davos und besuchte zuerst zwei Jahre die Talentklasse, um danach ans Gymnasium zu wechseln. Dies alles, um die schulische Ausbildung und das Training besser verbinden zu können. Die Eltern haben sie dabei immer unterstützt und nie daran gezweifelt, ob es richtig sei, aus dem Unterland auf eine Schneesportart zu setzen. «Es war alles wie ich es mir nur wünschen kann. Und dafür bin ich sehr dankbar», betont sie.
Komplexe Sportart
Snowboarden in der Halfpipe ist eine enorm vielseitige Sportart und deshalb braucht es auch ganz verschiedene Voraussetzungen. «Es ist keine reine Trainingssportart», erklärt Berenice Wicki. Damit meint sie, dass man mit enormem Trainingsfleiss und den immer gleichen Einheiten nicht sehr weit kommt. «Bei uns sind es sehr viele verschiedene Komponenten, die reinspielen und entscheidend sind», weiss sie aus ihrer mittlerweile grossen Erfahrung. Zum einen muss man natürlich physisch bereit sein. Aber es geht auch um die Kontrolle des Boards, die entsprechende Technik sowie den mentalen Aspekt. Denn das Unterbewusstsein spielt eine grosse Rolle. «Es spielt sich vieles im Kopf ab, das ganze ist extrem schnell», analysiert Wicki. Denn die Abläufe müssen bis zum letzten Griff sitzen, man hat in der Luft keine Zeit mehr zu überlegen, alles muss abgespeichert sein. Zudem ist es auch keine ungefährliche Sportart. Ein Sturz in der Halfpipe kann schnell gravierende Folgen haben. Deshalb muss man physisch bereit sein, auch mal einen Sturz wegstecken zu können. Genau wie im Kopf. Auch deshalb arbeitet Wicki seit längerem mit einem Mentalcoach zusammen.
Vielseitiges Training
Folgerichtig ist auch das Training so abwechslungsreich: In der ersten Phase geht es um die klassischen Themen wie Fitness und Kraft. Aber schon bald geht es ab nach Leysin, wo eine Trainingsanlage steht, auf welcher die Athleten auf einem Teppich in ein riesiges Luftkissen springen können, damit sie früh wieder das Feeling für das Board und die Tricks in der Luft bekommen. Von Mai bis September dauert die Vorbereitung. Anfangs Dezember steht diese Saison der erste Wettkampf in China an, danach zieht der ganze Tross weiter in die USA. Diese Saison ist eher eine Zwischensaison, denn 2025 steht ein Highlight auf dem Programm: Die Heim-WM in Silvaplana. «Das ist ein grosses Fernziel und immer irgendwie im Hinterkopf», gibt Wicki zu.
Sponsorensuche bleibt schwierig
Bereits bei den Juniorinnen gehörte Wicki zur absoluten Weltklasse. An den Olympischen Spielen 2022 in Peking sicherte sie sich mit dem siebten Rang ein Olympisches Diplom und im Februar 2023 sprang sie in Calgary zum ersten Mal auf ein Weltcuppodest. Trotzdem hat sich in ihrem Leben nicht alles auf den Kopf gestellt: «Die Sponsorensuche ist immer noch schwierig», gibt sie zu. Die Förderbeiträge der Schweizer Sporthilfe sind eine gute Sache. Trotzdem hat sie nach der erfolgreich abgelegen Matura voll auf die Karte Sport gesetzt. Dieses Jahr absolvierte sie die Spitzensport-RS in Magglingen. «Da hatten wir coole Trainingsmöglichkeiten», ist sie auch froh über diese Erfahrung. «Finanziell komme ich über die Runden», meinte die Ennetbadenerin lachend. Obwohl sie viele Jahre in Davos lebte und trainierte, blieb die Region immer ihre Heimat. Im Sommer kam sie jedes Wochenende in den Ostaargau, im Winter je nach Wettkampfplan.
Diesen Herbst hat sie auch ein Geographie-Studium in Teilzeit an der Uni Zürich begonnen. Als Ausgleich mache ich gerne etwas anderes. Aber die Priorität liegt nach wie vor klar beim Sport», betont die 21-Jährige, bevor sie sich wieder auf ihr Velo schwingt und nach Ennetbaden radelt. Die neue Saison beginnt bald für die Unterländerin, die sich erfolgreich im Schneesport durchgesetzt hat. Und da will sie an die Erfolge der letzten Saison anknüpfen.
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